Heute möchte ich endlich das Thema Stillen ansprechen. Der regelmäßige Leser hat ja mitbekommen, dass es bei uns anfangs überhaupt nicht rund lief und ich mehrmals kurz davor war, aufzugeben.
Eigentlich begann unsere Stillbeziehung sehr gut. Die Hummel war noch keine 10 Minuten auf der Welt, als ich sie das erste Mal anlegte und es klappte wirklich gut. Sie trank auf beiden Seiten je eine halbe Stunde lang ohne Unterbrechung. Die Hebamme war ganz begeistert und meinte, wir zwei seien Naturtalente. Das machte mich natürlöich irre stolz und beruhigte mich auch irgendwie, denn ich hatte vorher schon etwas Sorge, dass es evtl. nicht klappen könnte. Aus meiner Familie hat kaum jemand gestillt, angeblich hat es bei niemandem funktioniert.
Voll motiviert legte ich mein Kind also fleißig an, wenn sie scheinbar danach verlangte und wurde schnell ernüchert. So harmonisch und friedlich, wie man es in der Werbung sieht, war Stillen gar nicht. Ich hatte jedes Mal höllische Schmerzen beim Anlegen und durch das Lanolin, das ich danach auf die Brustwarzen schmieren sollte, klebten sie an der Kleidung fest, was beim Lösen auch sehr schmerzhaft war. Ich stillte im Liegen, weil ich wegen des Dammrisses nicht sitzen konnte/durfte, fand es aber eigentlich total unbequem.
Einmal kam eine Schwester und fragte, ob das mit dem Stillen funktionierte. Ich sagte einfach ja, denn die Hummel trank ja und war meistens danach auch zufrieden. Die Schmerzen seien normal, das würde sich einpendeln. Dummerweise sprach ich nicht an, dass ich das Stillen so unbequem fand und mir schon richtig der Rücken weh tat. Ehrlich gesagt spielte da auch eine große Portion falscher Stolz mit hinein. Ich wollte mir keine verschiedenen Positionen oder das Anlegen zeigen lassen, ich wollte es selbst hinkriegen. Haben andere ja schließlich auch schon geschafft.
Am 2. und 3. Tag nach der Geburt kam schließlich der Milcheinschuss und die nächste Qual begann. Innerhalb von Stunden wurden die Brüste riesig und taten nun auch ganz grausig weh. Ich fragte mich zum ersten Mal, was sich die Natur dabei nur gedacht hatte. Noch hatte ich immerhin das Glück, dass die Hummel nach jedem Stillen ca. 4 Stunden schlief. Trotzdem wurde meine linke Brustwarze bald blutig und löchrig, die Schmerzen kaum zu ertragen
1,5 Wochen nach der Geburt hatte ich abends schlimmen Schüttelfrost (fragt nicht wie das ist, wenn man unter Dusche das Gefühl hat zu erfrieren und die Nippel eh schon weh tun. Es war grausam!) und am nächsten Tag 40°C Fieber. Meine linke Brust war knallrot, heiß und entzündet. Um den Milchstau loszuwerden, sollte ich links häufiger anlegen. Ich war durch das Fieber natürlich total geschwächt, also zeigte mir meine Hebamme das Stillen im Liegen. 'Hätte ich das mal im Krankenhaus gewusst!', schoss es mir durch den Kopf. War nämlich eigentlich doch ganz bequem, wenn man es denn richtig machte. Leider verschlimmerten sich die Schmerzen in der Brustwarze durch das häufige einseitige Stillen und ich schrie bei jedem Anlegen auf, weinte die komplette Stillzeit durch und war danach klatschnass geschwitzt. Ich begann vor Angst zu zittern, wenn mein Kind wach wurde und Hunger hatte. Christian tigerte völlig aufgelöst durch die Wohnung und war kurz davor, Fertignahrung zu besorgen, um mich von diesen Qualen zu erlösen.
Meine Hebamme, die mich ständig zum Durchhalten animierte, zog einen letzten Trumpf aus dem Ärmel und riet mir, mich an die Stillberatung in meiner Entbindungsklinik zu wenden. Ich wusste nichtmal, dass es sowas gibt. Ich hatte Glück, die Beraterin war sofort per Telefon zu sprechen und machte abends einen Termin mit mir aus. Außerdem sollte ich mir eine elektrische Milchpumpe und ein Antibiotikum gegen die Entzündung verschreiben lassen.
Abends fuhren wir dann mit Baby und Pumpe im Gepäck ins Krankenhaus. Frau J. zeigte mir nicht nur den richtigen Umgang mit der Pumpe, sondern gab mir auch viele Tips, wie ich meine Milchproduktion regulieren konnte. Endlich wurde auch die Ursache für den Milchstau gefunden. Meine Milch war so fettig, dass die Milchkanäle links völlig verstopft waren und kaum Milch heraus kam. Dies war auch der Grund, weshalb die Hummel dort alles kaputt gebissen hatte. Sie musste eine Wahnsinnskraft aufwenden, um überhaupt etwas zu bekommen. Die Milchpumpe saugte die Verstopfungen ab, mein Baby hätte das in diesem Alter niemals schaffen können. Seitdem nehme ich Lecitin-Kapseln, die Milch wird dadurch dünner und fließt besser ab.
3 Wochen lang pumpte ich links ab und stillte nur mit rechts, denn die Brustwarze sollte erstmal heilen können. Schön war das nicht, denn nach jedem Stillen musste ich nachts noch raus und pumpen, obwohl ich den Schlaf dringend hätte brauchen können. Außerdem ließ mir mein Baby tagsüber nicht unbedingt Zeit zum Abpumpen, was sehr oft zu schmerzender, geschwollener Brust führte. Auch dauerte es lange, bis meine Brustwarzen sich an das saugende Baby gewöhnen konnten, denn links wurde ja nur gepumpt und die rechte stand unter Dauerbelastung.
Zusätzlich zu den körperlichen Schwierigkeiten belastete mich die Abhängigkeit. Ich musste immer da sein, ohne mich ging nichts und ich fühlte mich, wie in Ketten gelegt. Mit Baby konnten wir nirgends hin, da sie so schnell überreizt war, ohne Baby konnte ich aber auch nicht weg, da ich ja stillen und pumpen musste. Entgegen aller Meinungen gingen auch die Schmerzen einfach nicht weg, obwohl mir bei der Stillberatung versichert wurde, dass ich alles richtig machte. Die Familie meines Freundes redete permanent auf mich ein, ich solle doch abstillen, die Schmerzen seien nicht normal und wenn ich Fläschchen geben würde, wüsste ich wenigstens, wie viel die Kleine trinkt. Auf einer Feier durfte ich mir dann noch anhören, dass mein Kind nicht satt sei, weil sie nach einer Stunde stillen immer noch Hunger hatte und herzzerreißend schrie (sie steckte mitten im ersten Wachstumsschub, fand ich später heraus).
Also kam der Tag, an dem ich beschloss, das Stillen aufzugeben. Ich war immer der Überzeugung, dass es das Beste für mein Baby ist und dieser Gedanke ließ mich durchhalten, aber ich konnte einfach nicht mehr. Ich erzählte einer langjährigen Freundin davon, die selbst 2 Kinder hat, aber nie stillen konnte und sie sagte mir: "Nadja, sei mir nicht böse, dass ich das so sage, aber du musst dich auch auf's Mamasein einlassen. Dein Leben ist nicht schlechter geworden, es ist nur anders. Diese Veränderung musst du akzeptieren, ansonsten kämpfst du die nächsten Jahre mit Kind gegen deine eigenen Windmühlen." Ich begann zu weinen, denn sie hatte Recht. Ich hatte krampfhaft versucht, meinem alten Leben hinterher zu jagen, während mein neues neben mir auf und ab hüpfte und nach Aufmerksamkeit schrie. Anstatt zu sehen, wie schön es auch war, mein Baby endlich live bei mir zu haben, habe ich mir nur die (scheinbar) negativen Auswirkungen vor Augen gehalten.
Ich sah mein schlafendes Baby an, atmete tief durch und beschloss, dem neuen Leben eine Chance zu geben. Ich machte mir klar, dass stillen eigentlich auch sehr praktisch ist, denn ich muss unterwegs nie lange Mahlzeiten zubereiten, sondern kann sofort loslegen. Beim Stillen ist mir mein Baby so nah wie niemandem sonst, es sind Momente, die nur uns gehören und die uns keiner wegnehmen kann. Außerdem stillte ich ab denn erstmal nur im Liegen. Ich richtete es uns auf der Couch gemütlich ein, packte überall Decken und Kissen in greifbare Nähe und achtete darauf, sie bei den ersten Anzeichen von Hunger anzulegen, damit sie in Ruhe anfangen konnte zu trinken, statt hektisch an mir herum zu reißen. Der nächste Tag war der erste, an dem ich mein Baby schmerzfrei stillte.
Mittlerweile kann ich es mir gar nicht mehr anders vorstellen. Natürlich ist es manchmal anstrengend, denn zu Wachstumszeiten hängt die Hummel wie eine Klette an mir und zehrt mich, gefühlt, aus. Aber ich weiß dennoch, dass ich das richtige für mich und mein Baby getan habe, denn jede Nacht mehrmals aufstehen und Fläschchen rühren würde uns beide wohl in den Wahnsinn treiben. Ich stille sie nach ihrem Bedarf, tagsüber öfter, nachts normalerweise nicht so oft. Sie bestimmt, wann sie trinken will, denn nur sie weiß, wann sie Hunger oder Durst hat. Ich esse und trinke ja auch, wenn mir danach ist und nicht, wenn es mir jemand erlaubt. Das heißt, dass ich nicht auf die Uhr schaue, was mir natürlich auch wieder Kritik entgegenbrachte.
"Was, du stillst schon wieder? 2 Stunden sind doch noch gar nicht vorbei, das ist aber nicht normal!" Und das von einer Frau, die selbst NIE gestillt hat, weil es ihr zu umständlich war! "Was, du stillst? Aber dann weißt du doch gar nicht, wie viel sie getrunken hat!" Nö, weiß ich auch nicht, aber ich weiß ja auch nicht, wie viel Hunger sie hat. Weiß ICH denn vorher, wie viel ich essen will/kann, wenn ich hungrig bin? Diese Einstellung, dass ein Baby wie eine Maschine funktionieren und streng nach Uhr gefüttert werden soll, macht mich so wütend, das kann ich gar nicht in Worte fassen. Man merkt doch, ob das Kind noch/wieder Hunger hat oder ob es aus Langeweile an die Brust will. Letzteres lasse ich nicht zu, meine Brustwarzen sind dazu einfach zu empfindlich, aber ansosnten höre ich auf mein Kind und mein Gefühl und wir fahren gut damit. Da sie jede Woche zwischen 300 und 400g zunimmt, kann mir auch keiner erzählen, dass mein Kind nicht satt wird. Rein aus Neugier (ok, und um den Nervensägen eins auszuwischen) habe ich in der Apotheke eine Babywaage bestellt, um zu schauen, wie viel die Hummel bei einer Mahlzeit trinkt.
Ich genieße es mittlerweile, dass wir uns so nah sind und diese Nähe mit niemandem teilen müssen. Nur mein Mädchen und ich. Klingt egoistisch, aber ich würde es der buckligen Verwandtschaft auch schlicht nicht gönnen, wenn sie mein Baby füttern könnten!
Stillen ist für ein Baby so viel mehr als nur Nahrungsaufnahme. Es bietet Körperkontakt mit Mama, Trost und Geborgenheit. Sprecht euren Kindern das nicht ab und hört auf euer Bauchgefühl, auch, wenn irgendwer der Meinung ist, er oder sie müsse es besser wissen.
Alles Liebe
Nadja
PS: Ich möchte hiermit natürlich niemandem Vorhaltungen machen, der sein Baby aus welchen Gründen auch immer nicht stillen kann! Weder mein Freund, noch ich wurden gestillt und sind trotzdem groß geworden (mein Freund sogar seeehr groß *haha*). Ich habe auch trotzdem eine gute Bindung zu meiner Mama. Bindung entsteht nicht nur durch stillen, Mamaliebe hat soo viele Facetten. Ich persönlich denke aber, dass man immer alles versuchen sollte, bevor man das Stillen einfach so aufgibt, denn es hat auch so viele schöne Seiten für einen selbst und für sein Kind. Und im Endeffekt ist die Stillzeit soo kurz im Vergleich zum Rest des Lebens, dass ich einfach denke, dass man einen gewissen Verzicht in dieser kurzen Zeit ruhig auf sich nehmen kann.